"The core invitation of mindfulness is for you to befriend yourself. That means recognizing and inhabiting your own intrinsic wholeness and beauty in the only moment any of us ever has—namely this one."

Jon Kabat-Zinn

Was ist Achtsamkeit?

Kennst du folgende Situation?

Der Wecker klingt um 6 Uhr, du bleibst noch kurz im warmen, gemütlichen Bett liegen und denkst an das, was du heute erledigen musst... Frühstück für die Kinder machen, schnell mit dem Hund raus, eine WhatsApp an Oma schicken, dass sie die Kinder heute nach der Schule abholen soll, schnell noch einen Arzttermin vereinbaren... jetzt aber schnell aufstehen und unter die Dusche. Das warme Wasser rieselt über deinen Körper und du denkst an das gestrige Gespräch mit deinem Partner/deiner Partnerin. Warum versteht sie/er einfach nicht, dass du am Wochenende Ruhe brauchst und nicht auf die Feier der Geschäftspartner möchtest? Du machst dir schnell einen Kaffee. Beim Trinken denkst du an das Gespräch mit deinem Chef, das heute ansteht. Was wird er wohl zu deinem Urlaubsantrag sagen? Jetzt aber schnell zur Arbeit. Du steigst ins Auto und fährst los. Beim Autofahren überlegst du was du nach der Arbeit noch einkaufen musst, was du deinem Bruder zum Geburtstag schenken könntest und dass du du schon wieder den Geburtstag deiner Schwiegermutter vergessen hast. An der Arbeit angekommen steigst du aus und fragst dich wie du eigentlich zur Arbeit gekommen bist. Du hast von der Fahrt und vom bisherigen Tag wenig bis nichts mitgekommen.

Du warst im Autopilotenmodus und warst überall mit deinen Gedanken nur nicht im Hier und Jetzt. Das festzustellen ist der erste Schritt in Richtung Achtsamkeit.

Anhand dieses Beispiels - und dir fallen bestimmt weitere ein - wird deutlich, dass Achtsamkeit mehr ist als Aufmerksamkeit. Achtsamkeit ist eine Bewusstseinsschulung. Es geht darum immer wieder innezuhalten und den jetzigen Moment bewusst wahrzunehmen - mit allen Sinnen und ohne zu urteilen.

Achtsamkeit ist mehr als ein Modetrend. Achtsamkeit ist eine Lebenseinstellung, eine Haltung, die verschiedene Qualitäten des Geistes und des Herzens beinhaltet. Diese inneren Haltungen stellen das Herz der Achtsamkeitspraxis dar. Folgende Qualitäten stellen die Grundlage für ein glückliches, zufriedenes und erfülltes Leben dar:

Beginner's mind

Anfängergeist

In der Achtsamkeitspraxis geht es darum den urteilenden Charakter unseres Geistes bewusst wahrzunehmen und Situationen, Menschen, Gefühlen und Gedanken mit einem frischen, neuen Blick zu begegnen. Diese Offenheit ermöglicht uns z.B. Probleme auf neue Weise zu lösen, empfänglich für neue Erfahrungen zu sein und jeden Moment bewusst wahrzunehmen.

Patience

Geduld

Geduldig zu sein bedeutet zu wissen, dass jedes Ding seine eigene Zeit hat, dass es sich entfaltet, wenn der richtige Moment dafür gekommen ist.

(Jon Kabat-Zinn: Gesund durch Meditation. Das große Buch der Selbstheilung. München: Knaur 2011, S. 48f.)

Non-Judging

Nicht-Urteilen

Unser Geist urteilt ständig. Ganz automatisch kategorisieren wir Situationen, Menschen, Gefühle und Gedanken in gut, neutral oder schlecht. Achtsam zu sein bedeutet sich dieser automatischen Bewertungsmuster bewusst zu werden und sich nicht für das Urteilen zu verurteilen. Es geht darum eine urteilende Geisteshaltung schon im Aufkommen wahrzunehmen.

Acceptance

Akzeptanz

Akzeptanz bedeutet alles so anzunehmen, wie es gerade ist. Diese Qualität ist allerdings nicht mit Passivität oder Resignation gleichzusetzen. Wahrzunehmen, dass wir in bestimmten Gedanken oder Gefühlen gefangen sind, ist der erste Schritt zur Veränderung. Ohne Annahme ist keine Veränderung möglich.

Non-striving

Nicht-Streben

Bei der Achtsamkeitspraxis geht es darum mit dem zu sein was gerade ist, ohne zu urteilen und ohne ein Ziel zu verfolgen. Achtsamkeit ist absichtslos. Wir dürfen aufmerksam sein auf das was geschieht ohne etwas zu erzwingen oder zu erstreben. Zum Beispiel beobachten wir den Atem ohne ihn zu verändern oder ihn anders haben zu wollen.

Letting go

Seinlassen/Loslassen

Wenn uns viele Gedanken durch den Kopf gehen oder wir mit schwierigen Gefühlen konfrontiert sind, hilft uns die Achtsamkeitspraxis loszulassen - wahrzunehmen was da ist und sein zu lassen. Dadurch ermöglichen wir es unseren Gefühlen und Gedanken sich zu transformieren, sich aufzulösen.

Trust

Vertrauen

Oftmals sind wir so sehr auf das Äußere fixiert, dass wir das Gespür für das was wir brauchen, was uns gut tut, verlieren. Durch die Achtsamkeitspraxis können wir wieder ein tieferes Bewusstsein und ein genaueres Gespür für das, was in unserem Körper und Geist und um uns herum vor sich geht, entwickeln. Wir lernen, unserer eigenen Intuition, uns selbst, unserer Urteilsfähigkeit und unseren Gefühlen zu vertrauen.

Gratefulness

Dankbarkeit

Durch das regelmäßige Kultivieren von Dankbarkeit können wir bewusst unserer Geistesneigung Negatives intensiver abzuspeichern als Positives (negativity bias) entgegenwirken. Wir können bewusst wahrnehmen wofür wir in unserem Leben oder am heutigen Tag dankbar sind und dadurch die schönen Dinge im Alltag bewusster wahrnehmen (Neuroplastizität/ Rick Hanson).

generosity

Großzügigkeit

Mit Großzügigkeit ist eine wohlwollende Haltung uns selbst und anderen gegenüber gemeint. Oftmals fällt es uns leichter uns anderen gegenüber großzügig zu zeigen, uns selbst gegenüber allerdings nicht. Hier kommt die Qualität des Selbstmitgefühls ins Spiel.

(self)-compassion

(Selbst-)Mitgefühl

(Selbst-)Mitgefühl meint eine innere Haltung, die von Freundlichkeit, Zugewandtheit, Verständnis und Fürsorge uns selbst und anderen gegenüber geprägt ist. Es geht darum uns in schwierigen Situationen ein guter Freund/eine gute Freundin zu sein und uns bewusst zu sein, dass Leid zum Leben dazugehört, dass wir alle "im selben Boot" sitzen.

Was ist Achtsamkeit nicht?

~ Achtsamkeit ist keine Methode oder Strategie, um sich selbst oder andere zu optimieren (vs. McMindfulness).

~ Achtsamkeit ist keine neumodische Erfindung. Achtsam zu sein ist eine Fähigkeit, die wir in uns tragen und lediglich wiederentdecken müssen. Sie ist uns angeboren, wird aber oft zugunsten des Denkens vernachlässigt.

~ Achtsamkeit ist keine religiöse oder spirituelle Praxis. Achtsamkeit bildet zwar einen der drei Grundpfeiler des Buddhismus: Die Schulung des Geistes (Achtsamkeit und Meditation), Ethik und Weisheit. Achtsamkeit wird heute aber weltweit losgelöst von seinen buddhistischen Wurzeln gelehrt (z.B. in MBSR-Kursen).

~ Achtsamkeit ist kein „Dauerzustand“: es geht nicht darum, den ganzen Tag achtsam zu sein. Dies würde uns überfordern und zu erneutem Stress führen.

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